Alles, was den menschlichen Körper als übelduftendes Exkrement verläßt, hat man im alten Rom in der cloaca maxima gesammelt und in den Tiber geleitet.
Die cloaca maxima unserer Zeit ist das Internet. Alles Ekelhafte, jede nur denkbare menschliche Dummheit, jede Perversion, jede Sumpfblüte des Gehirns wird im Internet gesammelt und – leider! – nicht in den Tiber geleitet, sondern direkt in die Gehirne der Benutzer.
Es ist eine stinkende Brühe, der man kaum entkommt.
Aber das Internet hat doch auch wertvolle Seiten! – werden jetzt manche sagen. Natürlich. Auf die Wikipedia möchte niemand mehr verzichten, und über manches andere freue ich mich jeden Tag: die Bestandskataloge aller Bibliotheken der Welt, das ZVAB antiquarischer Bücher, Google Maps usw. Aber selbst wenn man alle diese nützlichen Angebote zusammennimmt, stellen sie vielleicht 0,01 % des Internets dar.
Und der Rest? Schrott, nur Schrott. Was den „Erfindern“ und Verteidigern des Internets als durch und durch demokratische Struktur vorschwebte, daß nämlich zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit jeder ungefiltert seine Meinung äußern kann, hat sich zu einem Albtraum entwickelt. Ein Blick in die Foren unserer großen Tageszeitungen genügt: da herrscht nicht etwa Demokratie, da findet kein kluger Austausch von Meinungen statt, nein: da schauen wir in die Abgründe der menschlichen Dummheit. Wut, Arroganz und Bosheit unter dem Schutz der Anonymität ersticken dort jede Freude am Diskutieren. Menschen, die nicht einmal die deutsche Sprache beherrschen, fühlen sich als Journalisten, wenn nicht gar als Philosophen, und kanzeln alles ab, was über ihren niedrigen Horizont hinausgeht.
Nirgendwo sonst wird uns so drastisch vorgeführt, wie roh und primitiv der Mensch (trotz seiner langen Evolutionsgeschichte) immer noch ist.
Gewiß, der Mensch war vor dem Internet nicht anders als heute. Aber damals mußte man diese traurige Erkenntnis nicht Tag für Tag schmerzhaft erleben. Da war eben noch alles gefiltert: wer einen Leserbrief an eine Zeitung schickte, wußte nicht, ob er die strenge Kontrolle der Redaktion überzeugen würde. Wer ein Buch veröffentlichen wollte, mußte dafür einen Verlag finden (und die hohe Hürde des Lektorats überwinden).
Jetzt darf jeder alles – und entblößt sich nach Herzenslust. Der Mensch ist im Internet nackt, man sieht ihn (leider) auch in seiner Kleinheit, in seiner Aufgeblähtheit, in seinem hilflosen Versuch, sich groß und wichtig zu machen. Ein Zyniker mag sich darüber freuen. Ich nicht.
Es kommt bei mir immer stärker eine Sehnsucht nach der guten alten Zeit auf, als es noch keine „sozialen Netzwerke“ gab, als die Menschen ihre Meinungen nur in der Familie und in der Kneipe äußerten (heute müssen sie ja unbedingt die ganze Welt daran teilhaben lassen!), als man noch (handgeschriebene!) Briefe und Ansichtskarten verschickte, als man auch noch, statt in Google Maps zu gehen, einen Atlas aus dem Regal holte und darin blätterte.
Darüber, was der Mensch ist, konnte man damals noch seine Illusionen haben. Heute, in den Zeiten des Internets, steht er nackt vor uns, und das ist weiß Gott nicht immer ein schöner Anblick.