Muammar al-Gaddafi droht damit, als Vergeltung für die NATO-Angriffe auf sein Land (und er betrachtet Libyen ganz buchstäblich als „sein“ Land!) den Terror nach Europa zu tragen. Das ist heute nur noch die übliche Großmäuligkeit, denn er dürfte dazu wohl kaum mehr die Möglichkeit dazu haben.
Aber ein anderer Satz aus der gleichen, als „wirr“ bezeichneten Ansprache ist interessanter. Gaddafi fordert nämlich, daß Sizilien und Andalusien, die über Jahrhunderte arabisch gewesen seien, wieder Teil der arabischen Welt werden müßten. Nun war die arabische Eroberung von Andalusien und erst recht von Sizilien in historischen Maßstäben nichts weiter als ein Intermezzo. Interessant ist aber die logische Bedingung einer solchen Forderung: sie lautet, kurz gesagt, daß vor der islamischen Eroberung nichts war, und daß ein Land, das einmal muslimisch war, es unter allen Umständen wieder werden muß. Besonders pikant bei einer so – sagen wir: intellektuell bescheidenen Argumentation ist, daß die „Kreuzzügler“ des Mittelalters, die ja immer im Zentrum der muslimischen Diskussionskultur stehen, auf diese Weise von der Gegenseite ihre Rechtfertigung erfahren. Denn so wie Gaddafi (und beileibe nicht nur er!) sagt, was einmal muslimisch war, muß wieder muslimisch werden, so können die Kreuzritter selbstverständlich mit dem gleichen Recht sagen: was einmal christlich war, muß wieder christlich werden.
Einen Unterschied macht das nur, wenn man die eigene Religion absolut setzt und eine Diskussion darüber (oder gar einen Abfall von ihr) mit dem Tod bedroht. Davon ist das Christentum schon vor Jahrhunderten abgekommen, während es im Islam in vielen Ländern noch gängige Praxis ist.
Sizilien übrigens war schon, als an den Islam noch nicht zu denken war, als Magna Graecia zusammen mit Teilen des südlichen Italien eine griechische Kolonie. Aber niemand in Griechenland würde auch nur daran denken, sich die Insel wieder einzuverleiben, nur weil sie irgendwann einmal griechisch war.
Genau das ist der Unterschied zwischen Kultur und Barbarei.
So, das war – versprochen! – der letzte Tagebucheintrag in meinem Blog, der sich mit Muammar al-Gaddafi beschäftigt. Ob er demnächst zum „Märtyrer“ wird oder seinen Lebensabend in einem Schurkenstaat verbringt, ist mir gleich. Ich werde kein Byte mehr an ihn verschwenden.