Gorbatschow oder: Die Sache mit den „Elder Statesmen“

Politiker sind auch nur Menschen – wer wüßte das nicht? Und nicht jeder, der älter wird, wird auch klüger. Darüber muß man nicht verzweifeln, es ist der Lauf der Welt.

Man sollte sich lieber über die Ausnahmen freuen: über Helmut Schmidt etwa oder – in den USA – über Bill Clinton und Jimmy Carter. Aber natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall: also Politiker, die Bedeutendes geleistet haben, aber im Alter alles dafür tun, ihren Ruf zu ruinieren. So einer ist Helmut Kohl, den seine junge Frau leider nicht davon abhält, sich immer noch in die akuelle Tagespolitik einzumischen.

Kohl war schon immer ein unbeherrschter, im Grunde tief provinzieller Politiker, aber in der Sternstunde seines Lebens, die gleichzeitig eine Sternstunde der deutschen Geschichte war, hat er – für alle überraschend – energisch und hartnäckig gehandelt, besser und raffinierter vermutlich, als es seine viel intellektuelleren, klügeren, begabteren Kollegen getan hätten. Es war freilich nur ein Augenblick in seinem (und unserem) Leben, und schon wenig später, als es um die „Abwicklung“ der DDR ging, hat ihn sein Gespür wieder verlassen. Aber in einem kurzen Moment der Geschichte war er der richtige Mann zur rechten Zeit.

Was er freilich heute sagt oder zu Papier bringt, ist nur noch das Zeugnis einer großen Verbitterung. Seine alte Unbeherrschtheit, seine Ungerechtigkeit hat wieder die Oberhand gewonnen.

Nehmen wir einen anderen Fall: Michail Gorbatschow. Mit seinen nicht besonders inhaltsschweren Parolen Glasnost und Perestroika (und natürlich mit seiner persönlichen Ausstrahlung!) hat er dafür gesorgt, daß der (unvermeidbare) Zusammenbruch des „Ostblocks“ ohne größere Gewaltausbrüche verlief. Auch er war – ein glücklicher Moment der Geschichte – zur rechten Zeit am rechten Platz. Aber auch er äußert in letzter Zeit eher skurrile Meinungen, etwa über Putin und den Westen. Während er Putin dafür lobt, daß er die russischen Interessen vertrete, schiebt er die ganze Schuld an der Verschlechterung der Beziehungen zu Rußland dem Westen zu. Das ist angesichts Putins aggressiver Politik und seiner miltärischen Einmischung in der Ukraine kaum zu verstehen. Wer in Europa mit Gewalt die Grenzen ändert und Teile seines Nachbarlandes einfach annektiert, kann sich ja nun wirklich nicht als Opfer gerieren.

Und trotzdem: wir sollten uns bei beiden – bei Kohl wie auch bei Gorbatschow – vor allem an ihre großen Verdienste erinnern. Was sie heute sagen oder tun, kann daran nichts mehr ändern.

Dieser Beitrag wurde unter Politik, Sonstiges veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert