Claus Weselsky ist kein Gewerkschafter, sondern ein Lobbyist

Ich bin ein großer Freund der Gewerkschaftsbewegung, und ich war selbst eine Zeitlang aktiv, als es darum ging, in einem Unternehmen mit unzumutbaren Zuständen einen Betriebsrat zu wählen. Ich weiß also, wovon ich spreche. Und ich habe die Gewerkschaften immer verteidigt, auch in den letzten zehn, zwanzig Jahren, als eine geschichtsvergessene, vom Konsum berauschte Generation über die „Gewerkschaftler“ nur noch die Nase gerümpft hat. Diese Generation genießt wie selbstverständlich sechs Wochen Urlaub im Jahr, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz, Weihnachts- und Urlaubsgeld – und denkt offenbar, das sei alles schon immer so gewesen. Aber alle diese heute selbstverständlichen Errungenschaften sind wirklich Errungenschaften, d.h. sie wurden von den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern buchstäblich errungen, oft in harten und jahrelangen Arbeitskämpfen. Man muß das nicht heroisieren, aber alles, was heute an Wohlstand da ist, hat doch eine Geschichte, eine Vorgeschichte, und wer sich dafür nicht interessiert, wer nicht begreift, daß sein bekömmliches Leben auf den zähen Arbeitskämpfen der vorhergehenden Generationen beruht, hat nicht verdient, daß es ihm so gut geht.

Claus Weselsky freilich, der seit 2008 Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokführer ist, gehört nicht in diese Tradition. Er ist in der DDR sozialisiert, in der echte Gewerkschaften verboten waren – seine ersten drei Jahrzehnte hat er dort verbracht. Es mag sein, daß ihn das geprägt hat.

Was wirkliche Solidarität ist, scheint er bis heute nicht begriffen zu haben, denn im Grunde betreibt er nur Lobbyarbeit für seine Lokführer. Richtige Gewerkschafter haben zwar immer hart verhandelt (das gehört dazu!), aber sie haben sich am Ende stets auf einen vernünftigen Kompromiß geeinigt. Das war – seit den 50er Jahren – eine der Grundlagen für den sozialen Frieden in Deutschland.

Weselsky aber ist, wie gesagt, nur ein starrsinniger Lobbyist, und er schadet mit seiner Unnachgiebigkeit der Gewerkschaftsbewegung. Der DGB hat sich deshalb auch zurecht „entsetzt“ über ihn gezeigt – gerade nach seinem Interview im heute-journal gestern abend, in dem mehr als deutlich wurde, wes Geistes Kind er ist.

Wer immer die Macht dazu hat, sollte ihn in die Schranken weisen. Die deutschen Gewerkschaften haben es jedenfalls nicht verdient, daß ein paar alte Männer, deren Solidarität über eine kleine, aber mächtige Berufsgruppe nicht hinausgeht, ihren guten Ruf zerstören.

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