Putin der Barbar

Die Putinversteher vermehren sich offenbar mit rasender Geschwindigkeit. Besonders (und fast ausschließlich!) in Deutschland. Egon Bahr, Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Gabriele Krone-Schmalz, Klaus von Dohnanyi, ganz zu schweigen von Gysi und Wagenknecht – alle haben auf einmal Verständnis für den netten Herrn Putin.

Ach, der gute Onkel Wladimir, er will doch nur seine Landsleute beschützen! Man hätte ihm ja wirklich ein bißchen entgegenkommen können! Fehler über Fehler hat der Westen gemacht! Er muß sich vollkommen eingekreist fühlen, der Wladimir Wladimirowitsch!

Ja, es stimmt. Rußland ist eingekreist. Und zwar von dem Schlimmsten überhaupt, was sich ein Putin ausmalen kann: von Demokratien! Estland, Lettland, Litauen, Polen – und jetzt womöglich auch noch die Ukraine.

DEMOKRATISCH!

Dieses Wort, Wladimir Wladimirowitsch – gib es zu! – möchtest du doch am liebsten aus allen Wörterbüchern streichen und durch das Wort RUSSISCH ersetzen. Russisch, das ist doch ein viel schöneres Wort, es duftet nach Heimat und Seele. Aber demokratisch? Das klingt auf jeden Fall nach Gefahr, nach feindlichem Ausland. Die Demokratie, so stellst du dir das in deinem Kopf vor (ich kenne dich, Wladimir Wladimirowitsch!), wird überall an deinen Grenzen nur von Banditen, Faschisten und ausländischen Agenten betrieben.

Der russische Mensch braucht keine Demokratie, sie entspricht nicht seinem Wesen.

Putins Rußland hat in Deutschland, weiß der Himmel warum, viele hochgestellte und auch viele, viele kleine dumme Fürsprecher. Sie sind Rußlandversteher in einem Land, in dem sie auch das dümmste Zeug ungestraft online stellen können. Fast wünschte man sich, man könnte sie alle zusammen einmal ins wirkliche Rußland beamen, damit sie sozusagen körperlich verstehen lernen, was es heißt, in einem Land zu leben, in dem jeder, der gegen Putin ist, um seine Gesundheit und oft genug um sein Leben bangen muß.

Das Motto dieses Tagebuchs heißt: Gegen die Barbarei! Und Putin, das steht fest, ist neben Lukaschenko, einer der letzten Barbaren in Europa. Es mag sein, daß er nicht immer so war, aber er ist ein Barbar geworden, weil wir es zugelassen haben. Wir haben zugesehen, wie er in den Kaukasusrepubliken gewütet hat, wir haben zugesehen, wie er das kleine Georgien überfallen hat, und wir müssen jetzt, da wir ja, anders als der Barbar selbst, keine Waffen einsetzen wollen, auch zusehen, wie sich der immer gefräßigere Putin die Krim einverleibt und – daran besteht kein Zweifel – demnächst nach der ganzen Ukraine greifen wird. Sein Szenario ist so perfekt, daß es nicht spontan sein kann: er provoziert Zwischenfälle, schickt seinen Pöbel auf die Plätze und sorgt für Verletzte und Tote, um einen Vorwand zum Eingreifen zu haben. Das alles ist von langer Hand geplant und mit großer Professionalität inszeniert.

Daß ihm vernunftbegabte Menschen im Westen die Absicht abnehmen, nur die bedrohten russischen Landleute in der Ukraine zu beschützen (die ja gar nicht seine Landsleute sind, sondern Ukrainer russischer Herkunft!), spricht nur für deren geschichtsvergessene Einfalt. Denn schon lange verzichtet Putin auf die halbwegs demokratische Fassade: er hat vor ein paar Wochen den letzten kritischen Fernsehsender zum Schweigen gebracht, und auch die Internetseiten von Nawalny und Kasparow sind jetzt abgeschaltet.

Es herrscht bald Totenstille in Rußland.

Aber wahrscheinlich versteht ihr das auch, liebe Putinversteher.

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