Da gehört er schon lange hin – aber es ist natürlich leichter, einen kleinen Schlächter aus Uganda oder der Zentralafrikanischen Republik vor Gericht zu bringen, als den Herrscher über Rußland. Auch hier gilt: ein Mörder, der einen einzigen Menschen umbringt, muß für den Rest seines Lebens hinter Gitter, ein Staatsmann, der für den Tod von Zehntausenden verantwortlich ist, bleibt unangetastet und kann sich weiter seines Lebens freuen.
Putin kommt aus der Schule des russischen Geheimdienstes KGB, zuletzt im Dienstgrad eines Oberstleutnants. Wenn man bei einem solchen Dienst eines lernt, dann ist es eine vollständige Gewissenlosigkeit. Und die hat er, hinter einer fast westlich anmutenden Fassade, in seiner gesamten politischen Karriere gezeigt – am fürchterlichsten im Terror gegen die Tschetschenen, der praktisch einem Ausrottungskrieg geglichen hat. Die Kriegsverbrechen der russischen Armee und ihrer tschetschenischen Helfershelfer sind von beispielloser Grausamkeit gewesen. Nicht umsonst sind viele Journalisten, die sich der Opfer angenommen haben, später bedroht oder – wie Anna Politowskaja – ermordet worden.
Auch der Einmarsch in das unabhängige Georgien und die erzwungene Abtrennung Abchasiens und Südossetiens von Georgien (über 800 Menschen sind bei dem Feldzug der russischen Interventionsarmee gestorben, an die 3.000 sind verwundet worden) war ein (leider ungeahndet gebliebenes!) Verbrechen gegen das Völkerrecht.
Georgien und Tschetschenien – das muß man heute sagen – waren Präzedenzfälle. Ein Putin außer Rand und Band hat dankbar registriert, daß ihm der Westen (von der UNO ganz zu schweigen) bei seinen Verbrechen nicht in den Arm fällt. Er schickt seine Armee in unabhängige Nachbarländer, und der Westen schickt – nur Worte. Deshalb fällt er jetzt ohne Federlesens über die arme Ukraine her. Und er will keineswegs nur die Halbinsel Krim „beschützen“ (was für ein Wort, wenn man es auf einen Putin bezieht!), er will die ganze Ukraine von den „Banditen“ und „Faschisten“ säubern. In seinem Telefonat mit Obama sagte er (die russische Nachrichtenagentur Novosti hat es wörtlich zitiert):
Im Falle einer weiteren Verbreitung von Gewalt auf ostukrainische Regionen und die Krim behält sich Russland das Recht vor, seine Interessen und die Interessen der russischsprachigen Einwohner zu schützen.
Mein Gott, wenn man so zu argumentieren beginnt, dann gäb’s bald ein lustiges Kriegeführen rund um den Globus! Dann müßte die ukrainische Armee sofort die Krim zurückerobern, weil dort die von Putin und seinen primitiven Fernseh-„Journalisten“ aufgeputschten Russen alles angreifen und verprügeln, was nicht russisch aussieht.
Aber es gibt ja ein Völkerrecht. Ich weiß: das ist ein sehr unvollkommenes Gebilde, das jeder kleine oder große Herrscher nach Belieben bricht. Aber es ist geltendes Recht, und seine wichtigste Aufgabe ist es, die Souveränität und die Grenzen unabhängiger Staaten zu beschützen. Die Ukraine ist ein unabhängiger Staat, und keine plumpe Sophistik kann etwas daran ändern, daß der Angriff Putins auf das Nachbarland ein Verstoß gegen das Völkerrecht und damit ein Verbrechen ist.
Deshalb gehört Putin als Angeklagter vor den Internationalen Gerichtshof.