Andreas Scheuer ist Generalsekretär der CSU, und er schillert ein bißchen, was seinen akademischen Titel betrifft. Manchmal nennt er sich „Dr. Andreas Scheuer“, dann wieder „PhDr. Andreas Scheuer“. Das liegt daran, daß er seinen Doktor, sagen wir: unter etwas seltsamen Umständen in Prag gemacht hat. Dort war es einige Jahre lang möglich, ein kleines Doktorat mit einer kleinen Dissertation und einem kleinen Rigorosum abzulegen. Und das auch noch in deutscher Sprache!
Aber davon will ich eigentlich gar nicht reden, auch nicht von den Passagen, die laut F.A.Z. als Plagiate angesehen werden müssen. Ich bin inzwischen ein bißchen allergisch geworden gegenüber den Plagiatsjägern im Internet.
Nein, ich will auf etwas ganz anderes hinaus. Ich wundere mich ernsthaft über den Nimbus, den dieser akademische Titel in Deutschland immer noch hat. Die guten Jahre, in denen unser Land eine führende Wissenschaftsnation war (ja, das waren wir wirklich einmal!) sind ja nun lange vorbei. Ein Blick ins Internet genügt, um angesichts einer immer mehr versiegenden Ausdrucksfähigkeit des „normalen Deutschen“ in Depressionen zu verfallen. Erst recht, wenn man liest, daß „Goethe“ nach „Kartoffel“ und „Opfer“ eines der beliebten Schimpfworte auf den Schulhöfen sein soll.
Und doch ist der Doktortitel, auch wenn man ihn aus niedrigen Beweggründen anstrebt und manchmal buchstäblich kauft, ein geistiger Leuchtturm geblieben. Selbst die vielen Skandale und Skandälchen haben daran nichts ändern können, sie sind im Gegenteil ein Beweis dafür, daß die Wertschätzung für Wissenschaft und Bildung, auch wenn sie nur ein Nachleuchten besserer Zeiten ist, in vielen Teilen der Bevölkerung immer noch da ist.
Das ist der positive Extrakt, den ich aus den ganzen „Skandalen“ der letzten Jahre – trotz allem! – ziehen möchte.
Und eines sollte man nicht vergessen: auch die Dissertationen vor 50 oder 100 Jahren waren beileibe nicht nur Meisterwerke. Wie viele von ihnen waren dünn und dürftig! Daß eine Dissertation per definitionem die Forschung voranbringen muß, war schon damals oft nur ein frommer Wunsch. Übrigens erinnere ich mich, daß auch schon vor Jahrzehnten die Doktorarbeiten prominenter Politiker auf geheimnisvolle Weise aus den Bibliotheken verschwunden sind.
Also: bitte nicht immer den Scharfrichter spielen!
PS: Andreas Scheuer hat sich inzwischen entschlossen, seinen Prager Doktortitel nicht mehr zu verwenden.