Rassismus bei „Wetten daß …?“ – oder: der User bleibt der Scharf- und Sittenrichter der Nation

Der User versteht keinen Spaß. Er hat keinen Humor. Wenn er überhaupt lacht, dann hämisch – und immer über andere. Er lacht also nicht, er lacht aus, und das ist das Gegenteil von Humor. Die Humorlosigkeit ist übrigens schon immer ein typisches Merkmal aller Ideologen, Weltverbesserer und Sittenrichter gewesen. Wenn sie den Mund verziehen, dann allenfalls zu einem vernichtenden Lachen.

Vor allem aber, und da kommen wir auf den gegebenen Anlaß zu sprechen, ist der User ein Scharfrichter. Er ist immer Ankläger, Richter und Henker in einer Person. Dazu stöbert er in alten Doktorarbeiten, durchsucht die Archive der letzten Kriegstage – und wehe, er wird fündig! Dann wird getwittert und gemailt, und der Shitstorm ist unaufhaltbar. Es regiert (um ein wunderbares Wort unseres Bundespräsidenten zu gebrauchen) der Tugendfuror.

Ein Musterbeispiel war die denkwürdige mitternächliche Begegnung von Rainer Brüderle mit einer Stern-Journalistin an einer inzwischen berühmten Hotelbar. Erst nach einem Jahr und kurz vor den Wahlen hatte sich die Journalistin an ihre Bedrängnis erinnert und darüber geschrieben. Das genügte, um die User, angeführt von der „Netzfeministin“ (Wikipedia) Anne Wizorek, in hunderttausendfache Rage zu versetzen.

Jetzt hat sich ähnlich Fürchterliches zugetragen: bei der Stadtwette von „Wetten daß …“ sollten sich möglichst viele Augsburger als Jim Knopf verkleiden – und ihre Gesichter schwarz anmalen. Eine alberne Geschichte, mehr nicht.

Keineswegs aber nur albern für unsere digitalen Scharfrichter, die voller Abscheu und Entsetzen sind. Auch Frau Wizorek ist wieder dabei: „gebührenfinanzierter Rassissmus“ sei das, twittert sie. Eine Facebook-Gruppe, die „rassistische Praktiken an deutschen Bühnen“ beenden will, ruft zu Protesten beim ZDF auf und veröffentlicht als Handreichung gleich die Telefonnummer der Redaktion.

Nun könnte man über diese Tugendbolde auch lachen – vielleicht wäre das sogar die beste Reaktion. Aber die Tatsache, daß solche Wortführer gleich tausende (oder gar zehntausende) Anhänger finden, gibt dann doch zu denken. Wie gerade bei jungen Menschen ein so extremer Tugendfuror grassieren kann, ist mir schleierhaft. Früher war das auf religiöse Strömungen (Puritanismus), radikale Ideologien oder bestimmte Ernährungssekten wie die Veganer beschränkt.

Inzwischen genügt den Tugendwächtern jeder beliebige Anlaß, um sich zu entrüsten.

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