Kennen Sie das „Positionspapier“ der evangelischen Kirche zur Familienpolitik? Ich habe grade mal hineingeschaut und will dem geneigten Leser ein paar Sätze daraus vorstellen.
Unter der Überschrift „Familie und Ehe im Wandel“ findet sich eine Art soziologische Grundlegung:
Eine breite Vielfalt von Familienformen ist, historisch betrachtet, der Normalfall. Die bürgerliche Familie als Ideal entwickelte sich erst im 18. Jahrhundert durch die Trennung von männlicher Erwerbswelt und weiblicher Familiensphäre mit Haushalt und Kindererziehung.
Das klingt, mit Verlaub, sehr nach dem marxistischen Kauderwelsch der 60er und 70er Jahre. Aber es kommt noch schlimmer:
Dieses Ideal setzte sich zunächst langsam und erst nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik als Lebensform für alle durch.
Der Autor dieser Zeilen ist vermutlich ein Freizeit- und Hobbysoziologe. Aber die Frage bleibt: wie kann ein Mensch einen so hanebüchenen Unsinn zusammenschreiben? Und wie können die Gremien der evangelischen Kirche so etwas absegnen und gegen jede Kritik verteidigen? Hier soll dem Leser offensichtlich mithilfe einer dreisten Geschichtsklitterung suggeriert werden, daß die bunte Beziehungsvielfalt, die von den Autoren des Positionspapiers auf Biegen und Brechen als vorbildlich hingestellt werden soll, schon immer da war und sozusagen der geschichtliche Normalfall ist.
Und die „bürgerliche Familie“ hat sich also „erst nach dem Zweiten Weltkrieg“ als „Lebensform für alle“ durchgesetzt? Wäre ich ein Lehrer, würde ich zum Autor dieser Zeilen sagen: „Setzen! Mangelhaft!“ Da wird die Wahrheit auf fast schon groteske Weise verbogen, und zwar aus einem einzigen Grund: man will die Familie ab- und die bunten Patchwork- und Regenbogenbeziehungen aufwerten. Nur deshalb hat die „breite Vielfalt von Familienformen“ angeblich die ganze Geschichte (bis zum Zweiten Weltkrieg!) bestimmt und soll wohl, nach dem kurzen Intermezzo der „bürgerlichen Familie“, auch unsere Zukunft bestimmen.
Das Papier ist eine förmlicher und fast höhnischer Abgesang der Evangelischen Kirche auf die Familie.
Wer das für eine Überinterpretation hält, sollte einmal aufmerksam lesen, wie Kirchenleute und die Autoren selbst das Positionspapier interpretieren. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung etwa, einer der Autoren, wird so zitiert (hier nachzulesen):
Die Orientierungshilfe werte die Familie nicht ab, sondern wolle sie neu denken. Die Familie könne nicht auf das kleinbürgerliche Ideal aus dem 19. Jahrhundert mit einer festen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau reduziert werden.
Man beachte die herabsetzenden Ausdrücke wie „kleinbürgerliches Ideal“, „feste Rollenverteilung“, „19. Jahrhundert“ usw. – alles aus der linken Mottenkiste.
Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, meinte,
es dürfe nicht ein bestimmtes Bild von Familie zur Norm erhoben werden, weil Menschen sich sonst diskriminiert und ausgeschlossen fühlten.
Aber die ganz normale Familie – die dürfen wir nach Herzenslust diskriminieren, nicht wahr? Sie ist ja auch zutiefst kleinbürgerlich.
Aus der Bibel, sagt Ulrich Fischer, der Landesbischof von Baden, könne man „keinesfalls die bürgerliche Ehe, wie wir sie heute kennen, ableiten“. Aber Patchwork, Regenbogen, Homo-Ehe – das alles kann man aus der Bibel ableiten?
„Die traditionellen Leitbilder“, heißt es am Ende, „halten den neuen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft … nicht mehr stand“.
Und wie die standhalten!
Die traditionelle, von der evangelischen Kirche als „kleinbürgerlich“ diffamierte Familie ist nämlich eine der größten kulturellen Leistungen der Menschheit. Und die evangelische Kirche wirft sie weg, um sich wieder einmal – wie so oft in ihrer neueren Geschichte – dem Zeitgeist anzupassen.