Fleischlos glücklich – oder: Die Zwangsbeglückung im Zeitalter der organisierten Moralität

Ja, Sie haben richtig gelesen: es gibt nicht nur eine organisierte Kriminalität, es gibt auch eine organisierte Moralität, und man sollte sich einmal fragen, welche von beiden mehr Schaden anrichtet (und mehr Lebensfreude zerstört). Die politischen Zwangsbeglücker, die unser gesamtes Leben normieren und auch den kleinsten Schaden von uns fernhalten wollen, sitzen nämlich keineswegs nur in Brüssel. Sie haben zum Beispiel auch in der DDR gesessen, und das ist kein Zufall, denn diese hilflosen Versuche, unser Leben (und es ist unser Leben!) zu regulieren, es in vorgeschriebene Bahnen zu lenken und alles bis in den privaten Alltag (und sogar bis in die Sprache!) hinein zu reglementieren, gehören im Kern zur linken Tradition. Deshalb kommen die Forderungen nach dem verordneten Glück, nach der Ethisierung allen Lebens besonders lautstark und besonders heftig von den Grünen, der SPD und der Linken – bei ihnen sind sie längst Teil ihrer Ideologie geworden. Daß der Hang zum Zwang auch in der Merkelschen CDU um sich greift, muß diese gesichts- und prinzipienlos gewordene Partei mit sich selbst ausmachen. Die Diskussion darüber wird kommen, aber vermutlich erst nach Merkel.

Die Grünen läuten jetzt eine neue Runde ein: der „Veggie Day“ soll gesetzlich eingeführt werden. An einem Tag in der Woche dürfen dann Kantinen und Mensen nichts Tierisches anbieten – oder, wie meine besonderen Freunde, die Veganer, zu sagen pflegen, keine „Leichenteile“. Hören wir, was Renate Künast zur Begründung sagt (hier nachzulesen):

Ein Veggie Day ist ein wunderbarer Tag zum Ausprobieren, wie wir uns mal ohne Fleisch und Wurst ernähren.

Dieses „wunderbare Ausprobieren“ gibt es freilich schon seit vielen, vielen Jahren, und nicht nur an einem Tag in der Woche, sondern täglich. Fast alle Kantinen und Mensen bieten vegetarische Gerichte an, und das ganz ohne staatlichen Zwang. Sie tun es, weil ihre Kunden es verlangt haben. Das ist der richtige Weg.

Ich brauche keine Reglementierung, ich will überzeugt werden. Und vor allem traue ich – mit gutem Grund! – den amtlichen und politischen Begründungen dieser guten Taten nicht. Die Energiewende zum Beispiel ist ein einziger Schwindel und eine große Dummheit dazu: sie zerstört unsere Landschaft, und jedes Windrad braucht ein paar hundert Kilo „Seltene Erden“, die in China unter unsäglichen Bedingungen und mit schlimmen ökologischen Folgen gefördert werden. Die Energiesparlampen, zu deren Gebrauch ich zwangsverpflichtet worden bin, enthalten Gift und müssen als Sondermüll entsorgt werden. Die Mülltrennung durch den Verbraucher hat nie richtig funktioniert und ist überdies teurer und aufwendiger als eine Trennung und Sortierung durch Fachbetriebe.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Wenn man die triumphierend vorgetragenen moralischen Imperative kritisch untersucht, bleibt vom versprochenen ökologischen Segen selten etwas übrig.

Aber die Tiere! Der Veggie Day und die vegetarische Ernährung überhaupt trügen „zu artgerechter Tierhaltung bei“. Sagt Frau Künast, die unter Schröder vier Jahre lang Landwirtschaftsministerin war. Was hat sie denn getan, um die Massentierhaltung in ihre Grenzen zu weisen? Ein paar kosmetische Veränderungen, einige Quadratzentimeter mehr, ein neuer Name („Kleingruppenhaltung“) – das war’s schon. An die großen Massentierhalter haben sich die Grünen, die lange genug im Bund, in den Ländern und in Städten und Gemeinden an der Macht waren, nie wirklich herangewagt.

Ich habe nun wirklich nichts gegen eine vegetarische Ernährung, es gibt gute Gründe dafür. Wir essen seit Jahrzehnten drei bis viermal in der Woche fleischlos, und auch an den übrigen Tagen ist Fleisch nur in kleinen Mengen auf dem Teller. Das halte ich übrigens, ohne jetzt in eine dieser fruchtlosen Grundsatzdiskussionen einzutreten, für die bessere Lösung. Wenn immer mehr Menschen wenig Fleisch essen, dann ist das effektiver, als wenn eine kleine Minderheit (eine ansehnlich gewordene, aber doch kleine Minderheit) gar kein Fleisch ißt. Das ist eben der Unterschied, ob man in dieser Frage sein Leben nach der reinen oder nach der praktischen Vernunft ausrichtet.

Aber wie auch immer: Druck und Zwang, wie milde sie auch sein mögen, werden nur Widerstand erzeugen, denn die Menschen wollen nicht beglückt, sie wollen – wie mündige Bürger – überzeugt werden. Der Veggie Day (muß man eigentlich alles immer englisch ausdrücken?) ist, wenn er denn kommen sollte, kein großes Malheur, aber er ist eben eingebettet in eine ganze Serie von Versuchen, uns auf gesetzlichem oder zumindest administrativem Wege zu bemuttern und wie die Schafe zu hüten. Aber wir sind keine Schafe, und das Leben, liebe Moralisten, ist viel, viel mehr als das einfache moralische Korsett, in das ihr uns einschnüren möchtet.

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