Das Dschungelcamp und die Qualitätspresse

Liebe Qualitätsblätter Spiegel, Stern, Focus, Welt und wie ihr alle heißt!

Seid ihr eigentlich noch ganz gescheit? Ihr berichtet ständig über eine der peinlichsten Trash-Sendungen des deutschsprachigen Fernsehens, mal andächtig, mal herablassend, mal ironisch, aber – ihr berichtet.

Tag für Tag!

Man muß die Menschen abholen, wo sie sind – würdet ihr vielleicht antworten. Aber muß man das wirklich? Nein, ganz und gar nicht. Ein, zwei kluge Artikel darüber im Feuilleton, das wäre mehr als ausreichend.

In Wirklichkeit seid ihr nämlich nichts weiter als Profiteure des Trash. Ihr hängt euch an die Sendung dran, und die Ironie ist nur für euer gutes Gewissen. Da könnt ihr euch über diese oft peinlichen Gestalten im Camp erhaben fühlen – und produziert zugleich Schlagzeilen wie diese:

Reis kochen, im Tümpel baden, traurige Geschichten am Lagerfeuer erzählen (Stern)
Tag 10: Rambo Joey spricht mit Tieren (Spiegel)
Ratten wie ein Kopf, Spinnen wie ein Topf (Welt)
Allegra und Iris streiten über ihre Plautzen (Stern)
Die Ekel-Tränen der Mutter (Abendzeitung)
Joey Heindle in der Dschungelkloake (Hamburger Abendblatt)
Claudelle isst den Kakerlacookie (Spiegel)
Allegra stinksauer: Mein Gesicht ist echt! (BZ)
Joey Heindles Mutter wußte nichts von seinem Selbstmordversuch (Focus).

Und so geht es immer weiter – wahrscheinlich bis zum bitteren Ende. Noch einmal ganz deutlich: wenn jemand diesen Trash unbedingt sehen will, dann soll er das tun. Aber wenn gestandene Redakteure von doch immer noch seriösen Zeitungen und Zeitschriften fast täglich (!) darüber berichten und gleichzeitig immer wieder in den Ironie-Modus schalten, weil es ihnen im Grunde ihres Herzens vielleicht doch ein bißchen peinlich ist, dann nenne ich das einen Abgrund von Heuchelei.

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