Manchmal liest man einen Buchtitel – und sieht: der symbolisiert in vollkommener Weise den Geist der Zeit. So ist es mir mit diesem Ratgeber von Scott Schwertly gegangen:
How to be a Presentation God.
Wenn dann in der Beschreibung noch steht, worum es geht – „presenting yourself, your business, and your cause with an easy-to-implement approach“ – dann weiß man: dieser Buchtitel ist ein fast perfektes Symbol für unser Zeitalter.
Nicht was man ist, entscheidet, sondern: wie man sich möglichst perfekt präsentiert. Wir leben – mehr als je zuvor – in einer Zeit des Scheins. Das ist in der Arbeitswelt mit Händen zu greifen, ich könnte davon stundenlang erzählen. Alles beruht nur auf der Selbstdarstellung, eben auf der Präsentation. Nicht die wirklichen Fähigkeiten zählen, sondern: wie man sie (und damit sich) verkauft. Der Blender hat oft schon an der Schule einen entscheidenden Vorteil. Durch ein Selektionssystem, das immer nur die glatte Präsentation belohnt, sind wir zu den Zuständen gekommen, wie wir sie heute in großen Teilen der Wirtschaft haben. Auch die Universitäten haben mit dem Problem zu tun. Ein Beitrag in der F.A.Z.-Beilage Beruf und Chance (hier nachzulesen) trägt den bezeichnenden Titel „Gute Selbstdarstellung, schlechte Sprachbeherrschung“.
Ein solcher Zeitgeist beschränkt sich natürlich nicht auf die Wirtschaft, er dringt auch ins ganz Private ein. Auch da wird die äußere Erscheinung (die natürlich nicht unwichtig ist!) über jedes vernünftige Maß hinaus zu einer absoluten Notwendigkeit. Was dadurch an Leid entsteht (Eßstörungen, Schönheitsoperationen, psychische Probleme jeder Art), gilt nur als Kollateralschaden, über dessen tiefere Ursachen man nicht weiter nachdenkt.
Auch im Privatleben hat eben nur eine Chance, wer zum presentation god wird.