Es gibt in der Stadt Frankfurt einen Platz, der noch vor zehn Jahren ein wahres Schmuckstück war: das ist der Goetheplatz. Nicht weit von der geschäftigen Zeil entfernt, war er von den Gärtnern so farbenfroh gestaltet, daß man oft einen kleinen Umweg gemacht hat, um sich an ihm zu erfreuen.
Das war einmal.
Inzwischen hat man zwar das alte Goethedenkmal, was auch angebracht war, wieder auf den Goetheplatz gesetzt – aber gleichzeitig, was ganz und gar nicht angebracht war, den Platz bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet. Es ist heute eine öde schwarze Fläche, die sich sogar auf den mit ihm zusammenhängenden Rathenauplatz und den Roßmarkt ausdehnen darf. Die schönen Blumenbeete sind verschwunden und sollen auch nicht wiederkommen, die paar Bäumchen und der Brunnen können die architektonische Scheußlichkeit des düsteren Platzes nicht mildern. Inzwischen kommen die Menschen wieder auf den Goetheplatz – aber nicht mehr, weil er schön ist, sondern weil man sich einen der häßlichsten Plätze des Landes nicht entgehen lassen will.
Aber das alles eigentlich nur nebenbei.
Am Rande des Platzes nämlich reißt man zur Zeit Häuser ab. Nicht daß es um sie besonders schade wäre, und auch, was an ihre Stelle tritt, ist das Immergleiche in so teuren Innenstadtlagen: das „erstklassige Shopping-Erlebnis“ mit einer „Auswahl renommierter Trend-Marken und Luxus-Labels“. (Wie innovativ!)
Nein, am schönsten ist wieder einmal der Projektname: One Goetheplaza.
Wer geglaubt hat, daß der Name des hypermodernen Einkaufszentrums auf der Zeil – My Zeil – an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten ist, wird also eines Besseren belehrt.
Ein Platz – das ist viel zu provinziell für das „Shopping-Erlebnis“ der Schönen und Reichen. Eine Plaza muß es sein! Der arme Goethe, der sich nicht mehr wehren kann, muß natürlich auch wieder herhalten (wie bei der genauso scheußlichen Goethe Business School), und am absurdesten ist, daß man statt „Goetheplatz 1“ die amerikanische Übersetzung verwendet.
Liebe Marketingleute – seht euch doch einmal diese Sätze von Goethe an, die aus einem Brief vom 28. November 1771 stammen:
Franckfurt bleibt das Nest. Nidus wenn Sie wollen. Wohl um Vögel auszubrüteln, sonst auch figürlich spelunca ein leidig Loch. Gott helf aus diesem Elend.
Ein Nest, ein leidig Loch ist Frankfurt heutzutage nur, wenn es in die Hände des Marketing und der Luxus-Labels fällt. So, und jetzt mal herhören, ihr Werbeleute: wer sprachlich und geistig so arm ist und sich dann auch noch dreist mit dem Namen Goethe schmückt, der sollte lebenslänglich in ein leidig Loch gesteckt und erst wieder freigelassen werden, wenn er feierlich geschworen hat, die deutsche Sprache nie wieder – wirklich nie wieder! – auf diese Weise zu verunstalten!
Ansonsten sag ich mit Goethen: Gott helf aus diesem Elend.