Mitt Romney (64) wird – wie es aussieht – bei der Präsidentschaftswahl in den USA der republikanische Herausforderer von Barack Obama werden.
Romney ist Mormone, und an diese seltsame Religionsgemeinschaft habe ich meine eigenen Kindheitserinnerungen. Damals, das müßte in den wilden 60er Jahren gewesen sein, missionierten sie auch hier in Deutschland – immer zu zweit, immer adrett gekleidet mit Anzug und Krawatte und mit perfekt geschniegelten Haaren. Sie waren so amerikanisch, daß man es kaum ertragen konnte. Und sie waren hartnäckig!
Mein Vater war nicht hartnäckig, er ließ immer alle herein (sogar die Zeugen Jehovas mit ihrem Wachtturm!), und so kam es, daß wir gemeinsam die Bibel gelesen haben – ich durfte ab und zu auch etwas vorlesen, was ich gar nicht verstand. Es war grauenhaft.
Inzwischen kenne ich das „Buch Mormon“, an das die Heiligen der letzten Tage, wie sie sich selbst nennen, glauben, ein bißchen besser, aber sympathischer ist es mir nicht geworden. Es ist im Grunde doch eine Sekte – keine bösartige, die Menschen zerstört und bricht, aber eben doch eine Sekte. Ich brauche kein Buch Mormon, schon gar nicht, um ein leidlicher Christenmensch zu sein. Dazu reicht die Bibel nun wirklich aus.
Aber in den USA ist alles sakrosankt, was sich selbst Kirche nennt – und es scheint einem Präsidentschaftskandidaten nicht zu schaden, daß er Mormone ist. Wenn man das Gruselkabinett der republikanischen Kandidaten betrachtet (Sarah Palin, Michelle Bachmann, Gingrich, Tea Party usw.), wirkt er trotz seiner religiösen Herkunft und seiner ständig wechselnden Standpunkte fast schon wieder seriös.
Als Präsidenten der wichtigsten Großmacht der freien Welt möchte ich ihn aber trotz alledem nicht haben. Aber auch Obama hat ja viel von seinem Glanz verloren. Rhetorik ist eben nicht alles.
Und doch: wenn ich mir so die Herrschenden im restlichen Teil der Welt betrachte – Putin, Chavez, Castro, Erdogan, Zuma, Ahmadineshad, Hu Jintao, Mugabe und wie sie alle heißen, da bin ich eigentlich doch ganz froh, daß die Amerikaner wenigstens noch zwischen Obama und Romney wählen können.
Und selbst um die Skandälchen unseres Bundespräsidenten Christian Wulff werden uns die meisten der Länder der Welt – von Rußland über China bis Kuba, Zimbabwe, Nigeria und Somalia – eher beneiden. Sie haben wirklich andere Sorgen.
Daran sollte man, bei aller Aufregung hierzulande, vielleicht auch einmal denken.