Selbst mit den von mutigen Bürgern dokumentierten „Unregelmäßigkeiten“ bei den russischen Duma-Wahlen hat es Putin nicht einmal auf 50 % der Stimmen gebracht. Wieviele Stimmen er in Wirklichkeit – also ohne die vielen kleinen Schwindeleien, die man sich auch im Internet ansehen kann – bekommen hat, kann niemand sagen. Es häufen sich die Berichte, daß man die unabhängigen Wahlbeobachter erst aus den Wahllokalen geworfen hat und es dann zu einer wundersamen Vermehrung der Stimmen für die Putin-Partei „Einiges Rußland“ kam.
Der Mensch läßt sich aber nicht gern von der Obrigkeit übers Ohr hauen, deshalb sind in den letzten Tagen in mehr als 50 russischen Städten Bürger auf die Straße gegangen, um gegen die Wahlfälschungen zu demonstrieren. Die Reaktion der Staatsmacht war brutal wie lange nicht mehr – nicht nur die Polizei wurde eingesetzt, sondern auch die berüchtigten „Truppen des Innenministeriums“. Das Militär gegen Demonstranten – das ist die Putinsche Spielart von Demokratie. Es würde mich nicht wundern, wenn man die alten Delikte „Rowdytum“ und „Rädelsführerschaft“ wieder hervorzaubern würde.
In jedem zivilisierten Land ist es die Aufgabe der Polizei, die Demonstranten zu beschützen und für einen ordentlichen Ablauf der Demonstration zu sorgen. Nicht so in Rußland: da setzt es Faustschläge und Fußtritte, und wenn man schon einmal beim Aufräumen ist, werden auch gleich die Führer der liberalen Opposition mitverhaftet. So ist es Iljan Jaschin, Boris Nemtsow, Sergej Mitrochin und dem Blogger Alexej Nawalny ergangen. Auch Journalisten und Menschenrechtler wurden stundenlang festgehalten. Insgesamt bot der Kreml zur Niederschlagung der Protestbewegung gegen die Wahlfälschungen neben seinen Spezialkräften 50.000 (!) Polizisten auf.
Man sieht auch hier wieder, daß das wirkliche Kriterium für eine Demokratie nicht die formale Existenz von gewählten Gremien ist. Jeder Schurke auf der Welt hält sich heute, sobald er im Besitz der Staatsmacht ist, sein eigenes Parlament samt einem dazugehörigen Parlamentspräsidenten. Nein, nur eine wirklich freie Presse und eine unabhängige Justiz garantieren demokratische Zustände.
Schnellgerichte gegen Demonstranten und die massive Einschüchterung von Journalisten bieten wenig Anlaß zu Hoffnung. Die autoritären Strukturen scheinen sich in Rußland eher noch zu verfestigen.