Die Scharia in Libyen?

Die Revolutionen in der arabischen Welt haben Türen aufgestoßen, das wenigstens steht fest. Wer aber am Ende durch diese Türen treten wird, weiß niemand. Buchstäblich alles ist möglich – von brutaler islamistischer Gewaltherrschaft bis zu halbwegs ordentlichen Demokratien.

Jetzt hat der Übergangsrat in Libyen die Einführung der Scharia angekündigt. War es deshalb falsch, daß der Westen zugunsten der libyschen Zivilbevölkerung in die Kämpfe eingegriffen hat? Natürlich nicht. Ganz abgesehen davon, daß es die Scharia in strengeren und laxeren Spielarten gibt: es ist ja überhaupt noch nicht entschieden, in welche Richtung das Land einmal gehen wird. Diese Offenheit der Entwicklung, die ja immer und überall ein Kennzeichen von Geschichte ist, muß man – auch wenn es manchmal schwerfällt! – aushalten. Wohin die Reise in Tunesien, Libyen und Ägypten geht, müssen zuallererst die Völker selbst entscheiden. Aber natürlich werden wir sehr genau beobachten, was dort vor sich geht.

Richtschnur müssen dabei die Menschenrechte sein. Während im Islam meist zwischen den Rechten von Muslimen und Nicht-Muslimen (und von Männern und Frauen!) streng unterschieden wird, kennen wir bei uns im Westen – gottlob – echte Menschenrechte, also Rechte, die jeder Mensch von Geburt an hat. Es sind unalienable rights, wie es in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten heißt – unveräußerliche Rechte. Daran werden sich auch die neuen Regierungen im Maghreb messen lassen müssen.

Während der kriegerischen Auseinandersetzungen haben sich beide Seiten einiges an Greueltaten zu Schulden kommen lassen, davon zeugen die Massengräber, die man jetzt gefunden hat. Das war freilich, auch wenn das zynisch klingen mag, nicht anders zu erwarten. Bürgerkriege werden immer besonders grausam geführt. Auch mit der Hinrichtung des Diktators (denn nichts anderes war es!) hat man wohl rechnen müssen.

Bedenklicher ist schon, daß der Übergangsrat immer noch versucht, diese Hinrichtung zu vertuschen und als zufälligen Tod im „Kreuzfeuer“ hinzustellen.  Eine ehrliche Aufarbeitung aller Umstände wäre, auch weil der Westen durch seine aktive Teilnahme an den Kämpfen für die Rebellen Partei ergriffen hat, die entschieden bessere Wahl gewesen.

Man wird also den weiteren Gang der Dinge im nördlichen Afrika im Auge behalten müssen. So ganz ohne Einfluß ist der Westen dabei nicht – ohne die Flugverbotszone und die Luftunterstützung hätten die Rebellen gegen das bis an die Zähne bewaffnete Ghaddafi-Regime keine Chance gehabt.

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