Wer ein korruptes, autoritäres Regime beseitigen will, muß konsequent sein. Eine freie Presse ist eine der wichtigsten Voraussetzungen – und natürlich eine unabhängige Justiz. Die „Orange Revolution“ von 2004 hat es – auch wegen persönlicher Streitereien – nicht geschafft, Pressefreiheit und eine unabhängige Justiz durchzusetzen und damit die Demokratisierung des Landes unumkehrbar zu machen. Auch die Bildung scheint nicht sehr vorangekommen zu sein – und Bildung ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für eine auf Dauer angelegte Demokratie. Nicht umsonst stützen sich viele autoritäre Regime auf die ungebildete Landbevölkerung, die für ihre demagogischen Einflüsterungen empänglich ist. Leute wie Putin, Erdogan oder Ahmadineshad hätten in den Städten mit ihren gebildeten Schichten nicht die geringste Chance.
Jetzt ist also Julia Timoschenko mit einer fadenscheinigen Begründung zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden. Es war ein politischer Schauprozeß, dessen Urteil von vornherein feststand. Der Richter, Rodion Kirejew, ist gerade einmal 31 Jahre alt und noch in der Probezeit. Man hat ihn auf Frau Timoschenko angesetzt, weil von ihm keine unliebsame Überraschung zu erwarten war. Er hat, wie vorherzusehen, mit seinem Urteilsspruch den Antrag der Staatsanwaltschaft (und die Erwartung seines Präsidenten) brav erfüllt. Daß er nichts als eine „Marionette“ war, wie Julia Timoschenko ihm während des Prozesses immer wieder vorwarf, scheint angesichts des Urteils nicht ganz unwahrscheinlich zu sein.
Präsident Janukowitsch versucht seit seinem Amtsantritt, Justiz und Presse zu disziplinieren. Kritische Journalisten werden unter Druck gesetzt und tätlich angegriffen, oder sie verschwinden einfach – wie letztes Jahr Wasili Klimentjew, der Chefredakteur der Wochenzeitung Novy Stil, die sich immer wieder mit der Korruption in den höchsten Kreisen beschäftigt hat. So entsteht ein Klima der Angst, in dem konkrete Drohungen nicht mehr nötig sind. Jeder weiß auch so, was ihm passieren kann, wenn er unbotmäßig ist.
Leider findet Europa auch in dieser Frage keine gemeinsame Position. Einige Länder wollen offenbar – man faßt es kaum – trotz des Schauprozesses gegen Julia Timoschenko an dem geplanten Assoziierungsabkommen mit der Ukraine festhalten, allenfalls über eine Verzögerung wird nachgedacht. Dabei braucht man doch nur einmal die Schlagzeilen vor dem letzten Osteuropa-Gipfel wiederzulesen, um sich die Wirkung solcher „Drohungen“ klarzumachen:
Die EU knöpft sich Janukowitsch vor,
schrieben damals die Salzburger Nachrichten – und die Welt präzisierte:
Kanzlerin Merkel will sich Janukowitsch vorknöpfen.
Da hat er aber Angst bekommen, der Janukowitsch! Deshalb hat er jetzt gleich seine einzige ernsthafte Konkurrentin für sieben Jahre ins Gefängnis geschickt – danach darf sie noch einmal drei Jahre kein öffentliches Amt annehmen, und sie muß 140 Millionen Euro Strafe zahlen. Der Präsident hat also zehn Jahre Zeit, um die Ukraine nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Und wer weiß – vielleicht stirbt Julia Timoschenko im Gefängnis überraschend an einer Lebensmittelvergiftung?
The shortest way with the dissenters könnte man das, in Anlehnung an das berühmte Pamphlet von Daniel Defoe, nennen.