Zeitungsbeilagen wandern bei uns fast immer gleich in den Papierkorb. Meist kommen sie von einer Unternehmensbranche, der Windkraftindustrie zum Beispiel, der Gastronomie oder der Touristik. Sie sind ein bißchen lästig, aber ärgern sollte man sich nicht über sie, denn nur von ihren Abonnenten kann heute keine Tageszeitung mehr leben. Ohne Anzeigen und Beilagen gäbe es keinen guten Journalismus in unserem Land.
Heute war eine Beilage von erfolg-und-business.de in unserer Zeitung, und das in ziemlich brutaler Aufmachung. Neben dem Foto eines freundlich lächelnden Mannes las man mit Schrecken:
KMU
Digitize or die!
KMU war bekanntlich der alte Name der Universität Leipzig („Karl-Marx-Universität“), aber die heißt doch seit 1991 anders. Der Mann auf dem Foto jedenfalls, ein gewisser Philipp Depiereux, hat eine erstaunliche Anzahl von beruflichen und anderen Attributen, die ich hier einfach einmal nach dem Zufallsprinzip aneinanderreihe:
Diplom-Betriebswirt
Innovation Leader
gefragter Keynote-Speaker
Messias der Digitalisierung
CEO und Co-Founder
druckreif formulierendes Energiebündel
Initiator von Changerider
Buch-, Blog- und Kolumnen Autor
Gründer der Startup-Schmiede etventure
einer der führenden Köpfe des Landes
Family Man usw.
Wie kann es nur sein, daß mir so ein Mann bis jetzt völlig unbekannt war? Gibt es vielleicht doch, wie manche Physiker vermuten, zwei oder mehr Universen? Wenn Depiereux in dem einen lebt und ich in einem anderen, dann könnte man immerhin verstehen, warum ich zwar Shakespeare, Goethe und Thomas Mann kenne, von Depiereux aber bis zum heutigen Tag noch nie etwas gehört habe.
KMU ist übrigens die Abkürzung für „Kleine und mittlere Unternehmen“. Habe ich auch nachschlagen müssen.