Schöne arme Wörter (3): „Gutmensch“

Schon wieder so ein Wort, das in den Sog der Extremisten geraten ist. Oder war es da von Anfang an? Aber wie ist es zu seiner negativen Bedeutung gekommen? Und warum fühlt man sich beleidigt, nur weil man als „guter Mensch“ bezeichnet wird?

Sehen wir, was der Duden dazu sagt:

[naiver] Mensch, der sich in einer als unkritisch, übertrieben, nervtötend o. ä. empfundenen Weise im Sinne der Political Correctness verhält, sich für die Political Correctness einsetzt.

Das ist eine eher schlampig formulierte Definition, die (mit ihrem Schwergewicht auf der politischen Korrektheit) wohl kaum den Wortinhalt richtig wiedergibt. Genauer trifft es das einzige Wort, das im Duden eingeklammert steht: „naiv“. Der Begriff „Gutmensch“ (oder „Gutmenschentum“), der leider auch in der von mir sehr geschätzten F.A.Z oft gebraucht wird, ist (und war wahrscheinlich von Anfang an) ein Schimpfwort. Wer einen anderen als „Gutmenschen“ beschimpft, will damit sagen: der ist naiv, realitätsfremd, dumm, er kennt die Wirklichkeit nicht. Aber wenn wir das Wort so definieren: wer, um Himmels willen, war da alles ein Gutmensch? Jesus? Gandhi? Dürfen jetzt Zyniker und selbsternannte „Realisten“ damit jeden beschimpfen, der noch noch (begründete!) Hoffnung auf ein gutes Ende der Menschheitsgeschichte hat?

Nein, das Wort „Gutmensch“, so wie es in der politischen Auseinandersetzung gebraucht wird, ist wirklich ein Unwort. Wir sollten es nicht mehr verwenden – oder getrost der AfD und der Neuen Rechten überlassen, in deren verkommener Sprache es neben „völkisch“ und „Vogelschiß“ seinen angemessenen Platz finden mag.

PS:  Im aufgeklärten England des 18. Jahrhunderts gab es das Ideal des „good-natured man“, wie er etwa in Henry Fieldings wunderbaren Romanen immer wieder anzutreffen ist. Niemand hätte damals im Traum daran gedacht, daß aus dem „guten Menschen“ einmal ein Schimpfwort werden könnte.

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