Es geht schon wieder los: gestern abend, da stand Erdogans knapper Sieg im Referendum schon fest, traten deutsche Politiker vor die Mikrofone und forderten zu Ruhe und Besonnenheit auf.
Besonnenheit? Einem Rüpel gegenüber, der die westlichen Demokratien fortgesetzt in wüstem Ton beleidigt und die Türken, die bei uns leben, ganz offen als Fünfte Kolonne gegen die Demokratie einsetzen will? Der die türkischen Frauen in Europa zu eifrigem Gebären aufruft, weil nur das Türkentum Europa „retten“ könne?
Was muß eigentlich noch passieren, bis unsere Politiker einmal angemessen auf diesen Rüpel aus Ankara reagieren, der offenbar keine Kinderstube hat und jedes Maß und jede Hemmung verloren hat?
Besonnen und in aller Ruhe kann man einem solchen Demagogen auch seine Grenzen aufzeigen. Dazu muß man sich nicht auf sein sprachliches und moralisches Niveau begeben, aber man sollte mit ihm Tacheles reden. Das sanfte diplomatische Säuseln, wie man es etwa von Steinmaier kennt, ist hier völlig fehl am Platz. Wenn sich zum Beispiel ein Europapolitiker – wie gestern abend geschehen – hinstellt und zur Besonnenheit aufruft, wenn er im Interview herumdruckst und nicht einmal eindeutig für das Ende der Beitrittsverhandlungen eintritt, weil die Türkei ja ein wichtiger, geradezu unverzichtbarer Partner sei, dann ist das an Devotheit und Peinlichkeit kaum noch zu übertreffen.
Deutschland und Europa können stolz sein auf das, was sie in den letzten sechzig Jahren geschaffen haben: Demokratie, Frieden und Wohlstand. Diesen Stolz kann man doch auch einmal zum Ausdruck bringen: und zwar laut und deutlich, so wie es zum Beispiel Cem Özdemir getan hat. Vor dem Sultansthron muß man als Demokrat doch nicht katzbuckeln!
Ich sage es noch einmal: ein Erdogan, der sein Land zu einem einzigen Gefängnis gemacht hat und als erste Amtshandlung die Todesstrafe einführen will, kann nicht unser Partner sein. Er gehört nicht in die NATO und schon gar nicht in die EU. Aber seine Gegner in der Türkei (und sie machen, wie man gestern gesehen hat, fast die Hälfte des Landes aus!) sollten wir nach Kräften unterstützen. Sie haben mit ihrem „hayır!“ viel Mut bewiesen, sie sind die Zukunft der Türkei.
Wer Erdogans Bütteln in Polizei und Justiz entkommt, wird hier bei uns immer willkommen sein.