Der feine Herr Orbán, ungarischer Ministerpräsident, sorgt sich um die christliche Kultur in Europa. Das wäre an sich noch nicht schlimm, auch ich sorge mich um sie.
Orbán meint,
daß die christliche Kultur Europas kaum noch in der Lage ist, Europa in der eigenen christlichen Wertordnung zu halten.
Was er für ein wunderbarer Vertreter der christlichen Werte ist, zeigt Orbán gerade auf den ungarischen Bahnhöfen. Er läßt die Flüchtlinge, die der syrischen Hölle entflohen sind, ohne Wasser und Nahrung auf dem Asphalt lagern, läßt sie auch Fahrkarten nach Wien kaufen („Geld stinkt nicht“), versperrt ihnen dann aber den Zugang zu den Zügen. Einen Tag lang darf ein Teil von ihnen ausreisen, dann riegelt er den Bahnhof wieder ab. Schließlich dürfen sie zwei Züge besteigen, die Flüchtlinge schöpfen wieder Hoffnung, aber dann werden die Züge auf offener Strecke angehalten. Die Flüchtlinge sollen in ein Lager gesteckt werden. Es ist ein übles, von Grund auf unanständiges, perfides Spiel, das der feine Herr Orbán mit den Flüchtlingen spielt.
Er ist nun wirklich der Allerletzte, der es wagen darf, von christlichen Werten oder gar von Nächstenliebe zu reden.
Orbán ist eine Schande für Europa – und eine Schande für Ungarn. Der luxemburgische Außenminister, Jean Asselborn, hat das gestern abend im Gespräch mit Marietta Slomka in einer Deutlichkeit gesagt, wie man sie sich auch von Merkel und und Schulz gewünscht hätte. Hören wir einmal in das Ende seines Interviews hinein:
Wir haben die Bilder heute gesehen von dem kleinen Jungen, wir haben doch auch die Bilder gesehen von diesem IS in Syrien, die Kinder von fünf, sechs Jahren als Henker benutzen. Auch Orbán muß das doch sehen. Man fragt ja nicht einen Menschen, der diese Barbarei überlebt hat, der fortläuft, der zu uns kommt, der an unsere Tür klopft, man empfängt ihn nicht mit Stacheldraht, sondern macht ihm die Tür auf und gibt ihm eine Chance. Das ist doch, glaub ich, auch christlich. Der sagt ja, er will nur Christen haben, aber wenn Orbán ein Christ ist, dann ist Kim Il-sung auch ein Christ.
Ach, wäre es nicht schön, auch einmal in Deutschland einen solchen Politiker zu haben, der Tacheles redet und seine Gefühle nicht ganz, ganz tief in sich versteckt? Um Politiker wie Asselborn kann man das kleine Luxemburg nur beneiden.
PS: Was ich nicht verstehe: wo sind eigentlich die ungarischen Bürger geblieben? Wo das Rote Kreuz und die anderen ungarischen Hilfsorganisationen? Sind die von Fidesz schon gleichgeschaltet worden?