Joe Kaeser, Putin und die Freude des Managers an der Revolution

Die Szene wird man nicht so schnell vergessen, und es ist das Verdienst des russischen Fernsehens, daß man sie auch bei uns im Originalton verfolgen durfte: da sitzt der neue Siemenschef Joe Kaeser in Moskau Putin gegenüber, der gerade die Krim annektiert hat. Und was tut der hochkarätige Vertreter der deutschen Wirtschaft? Er schmiert dem Herrn im Kreml Honig ums Maul und gratuliert ihm in geradezu peinlicher Devotheit zu den „großartigen Winterspielen“ von Sotschi.

Er tut das aus den denkbar niedrigsten Beweggründen: er will an und mit Putin Geld verdienen. Putin sei für ihn nur „ein Kunde“, sagt Kaeser hinterher, und Siemens verbinde mit Rußland (man höre und staune!) eine „Wertepartnerschaft“. Eine Wertepartnerschaft mit Putin – dieses Wort muß man sich auf der Zunge zergehen lassen. Da Kaeser wie die meisten Manager im Lauf seiner Karriere sicher Seminare wie „Ethik und Wirtschaft“ oder „Seneca für Manager“ besucht hat, hätte er auch sagen können: non olet – Geld stinkt nicht.

Denn: was schert einen deutschen Manager das Völkerrecht? Wichtig ist nur, daß (hier ganz buchstäblich!) der Rubel rollt.

Inzwischen ist Joe Kaeser schon wieder in allen Schlagzeilen, weil er (wie es die Welt formuliert) den Siemenskonzern „mit tiefen Einschnitten in die Struktur und Tabubrüchen“ völlig umkrempeln will. Was das für die Mitarbeiter bedeutet, kann sich jeder vorstellen.

Es ist interessant, daß in der Politik die großen Revolutionen, von denen noch in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts alles Heil ausgehen sollte, ein bißchen aus der Mode gekommen sind – man weiß inzwischen, daß ihr geschichtlicher Nutzen in keinem Verhältnis zur Zahl der Opfer steht. Die Französische Revolution etwa hat zwar das ancien régime beseitigt, aber um welchen Preis: ganz Frankreich hat sie in Blut gebadet. Mit der russischen Oktoberrevolution verhält es sich genauso. Natürlich wird man Revolutionen auch in der Zukunft nicht ganz vermeiden können: dem Menschen wohnt offenbar ein unausrottbarer Hang zur Gewalttätigkeit inne. Aber daß Mißstände behutsam, also auf dem Weg der Reform, viel gründlicher behoben werden können, hat sich doch hier und dort herumgesprochen.

Es gibt freilich ein Feld, auf dem die Revolution immer noch erste Wahl ist: die Wirtschaft. Ein neuer Chef, das weiß fast jeder aus eigener Erfahrung, stülpt erst einmal alles um – und dabei geht es keineswegs um rationale, in der Sache begründete Änderungen, wie uns die Wirtschaftswissenschaft weismachen will. Es ist ein Vorgang, der – wie es scheint – aus lange zurückliegenden Stadien der Evolution herrührt, so wie ein Löwe, wenn er sich mit einer Löwin zusammentut, erst einmal deren Junge totbeißt. Kaum etwas ist so archaisch wie dieses gewaltsame Auslöschen aller Spuren, die der Vorgänger hinterlassen hat. Dieses Verhalten ist ganz und gar nicht konservativ, es hält nicht am Bewährten fest, während es das weniger Gute korrigiert. Das wäre ja vernünftig – nein, hier soll nichts mehr an den erinnern, der zuvor da war. So ist man mit römischen Kaisern umgegangen: nicht nur ihre Köpfe wurden von den Münzen getilgt, auch die bloße Erinnerung an sie sollte gelöscht werden.

Die scheinbar rationale Welt des Wirtschaftens erweist sich, wenn man auch nur ein bißchen an der Oberfläche kratzt, als eines der letzten Felder, auf denen Männer noch völlig ungestraft ihren archaischen Trieben nachgehen können.

PS:  Im Wirtschaftsteil der Tageszeitungen liest sich das natürlich anders, da gibt es, was die großen Wirtschaftsführer angeht, noch die gute alte Hagiographie, die ansonsten nicht einmal mehr in der katholischen Kirche beliebt ist.

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