Manchmal – erlaube mir die laxe Wortwahl! – denke ich, du bist jetzt ganz und gar übergeschnappt, Wladimir Wladimirowitsch. Es mag ja sein, daß deine Bäuerlein dir alles glauben und den lieben langen Tag nur „Rossija, Rossija!“ schreien – aber hältst du die übrige Welt wirklich für so blöd, daß sie dir jeden Käse abnehmen?
Du läßt jetzt seit Tagen Lügen wie am Fließband verbreiten. Freilich: das ist so üblich, wenn man selbst wegen seiner Verbrechen am Pranger steht. Keiner ruft so laut „Haltet den Dieb!“ wie der Dieb selbst, nicht wahr? Jetzt hast du dein Nachbarland, die Ukraine, überfallen, und befindest dich deshalb, wie man heute so schön sagt, in einem Erklärungsnotstand. Ein guter Politikberater hätte dir folgendes geraten: ein einziges kräftiges Argument, das aber auch durchhalten ohne jeden Widerspruch. Statt dessen kommst du mit einem Dutzend widersprüchlicher Rechtfertigungen: einmal sind es die Faschisten, die in der Ukraine morden und brandschatzen, dann die zu Hunderttausenden aus Angst um ihr Leben aus dem Land flüchtenden Russen, ein andermal ist das feindliche Ausland an allem schuld, dann ein Hilferuf des „legitimen“ Präsidenten Janukowitsch, und schließlich waren es „deutsche Söldner“, die auf dem Majdan geschossen haben!
Warum, Genosse Putin, bist du nicht einfach einmal ehrlich?
Stell dich hin und erzähle der Welt, wie du wirklich denkst: „Ich, der Herrscher über alle Reußen, tue, was mir gefällt. Und wenn ich die Lust verspüre, die aufmüpfigen Ukrainer zu bestrafen, dann bestrafe ich sie. Und wenn ich Obama, Merkel und die ganze übrige Welt belügen will, dann belüge ich sie. Denn ich bin Putin, der Herrscher über alle Reußen und bald der Herrscher über die ganze Welt.“
Wenn du so geredet hättest, Wladimir Wladimirowitsch, dann hätte jeder dir geglaubt. Aber deutsche Söldner auf dem Majdan? Da wird man wohl eher deine geistige Gesundheit in Zweifel ziehen.