„Hier irrt der Papst“ – meint ein gewisser Herr Grözinger

Der Herr Grözinger hat eine fixe Idee: daß nämlich der Kapitalismus aus dem Christentum hervorgegangen sei. Und er meint damit keineswegs unsere soziale Marktwirtschaft, in der zum Schutz der Schwächeren der Staat behutsam regulierend eingreift. Nein, er meint den nackten, blanken, völlig freien Kapitalismus. Den liebt der Herr Grözinger nämlich heiß und innig.

Der Herr Grözinger hat sogar ein Buch darüber verfaßt – „Jesus, der Kapitalist“ heißt es. Aber darüber will ich nicht schreiben. Ich schreibe lieber über einen Artikel, den der freie Wirtschaftsjournalist vor ein paar Tagen in der F.A.Z. (hier nachzulesen) veröffentlicht hat.

Grözinger kennt seinen Jesus und darüber hinaus das Alte und Neue Testament wie seine Westentasche, deshalb ist er befugt, seinen Artikel mit der kühnen Überschrift „Wie der Papst in Wirtschaftsfragen irrt“ zu versehen. Auf jeden Fall kennt Grözinger seinen Jesus so gut, daß er es mit Papst Franziskus locker aufnehmen kann.

Ein Satz des Papstes aus seinem apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ muß ihn besonders geärgert haben:

Es ist unglaublich, dass es kein Aufsehen erregt, wenn ein alter Mann, der gezwungen ist, auf der Straße zu leben, erfriert, während eine Baisse um zwei Punkte in der Börse Schlagzeilen macht.

Daß nach Meinung des Papstes „Wirtschaft tötet“, das erzürnt den Herrn Grözinger noch mehr, wo sie doch sein Ein und Alles ist, die freie, also von allen moralischen Hemmungen befreite  Wirtschaft. Hier irrt der Papst, sagt Grözinger deshalb kategorisch, und fügt hinzu: nicht die Wirtschaft tötet, sondern „der Staat“, dessen Todsünde darin besteht, die Wirtschaft „interventionistisch“ zu behelligen.

Ein Staat, der Mindestlöhne festlegt und damit Schwache aus dem produktiven Erwerbsleben ausschließt und sie abhängig von einer Wohlfahrt macht, die er ebenfalls reguliert und beherrscht. Der Höchstmieten festlegt und damit den Wohnungsmarkt einschränkt. Ein Staat, der Unternehmen reglementiert und besteuert, bis sie auswandern oder schließen und damit empfindliche Wohlfahrtsverluste für die bisherigen Arbeitnehmer und deren Gemeinden verursacht.

Man sollte den Herrn Grözinger unter Naturschutz stellen, denn er ist einer der letzten seiner Art. Er vertritt, als lebten wir noch im 19. Jahrhundert, einen vollkommen schrankenlosen Kapitalismus. Alles, was das Handeln des Unternehmers einschränkt, und seien es seine eigenen ethischen Maßstäbe, ist des Teufels. In seiner Radikalität läßt sich der Herr Grözinger nicht einmal von unserer wirtschaftsliberalen FDP (Gott hab sie selig!) übertreffen.

Und doch hat er offenbar das Bedürfnis, seine Position zu verteidigen – und er sucht dabei Hilfe von „ganz oben“. Er überfliegt die Bibel (wahrscheinlich mit einem guten Suchprogramm), wagt sich an die Deutung einiger Stellen und findet seine Position natürlich von allerhöchster Stelle bestätigt. Da kommt Papst Franziskus nicht mit:

Die Äußerungen des 266sten Papstes sind repräsentativ für die moderne Unkenntnis vieler Christen über die politische Ökonomie einer wirklich freien Marktwirtschaft.

Was soll man über einen solchen Schmarrn noch sagen? Am besten nichts.

PROSIT NEUJAHR!

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